Abgase-AbgasmanipulationLaut Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17 liegt ein erheblicher Sachmangel am Fahrzeug vor, wenn bei Übergabe an den Käufer eine - den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende - Abschalteinrichtung installiert ist. Der Käufer kann in diesem Fall im Rahmen der Gewährleistung eine Ersatzlieferung verlangen.

Abschalteinrichtung als Mangel

Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache (nur dann) frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt.

Bei einer Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG handelt es sich um eine Einrichtung, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und dementsprechend den Stickoxidausstoß reduziert, indem sie bei erkanntem Prüfungsstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert. Solch eine Abschalteinrichtung ist gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässig. Fahrzeuge, die mit derartigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sind, laufen Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde.

Infolge dessen stellen Abschalteinrichtungen im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar.

Ersatzliefung auch bei Modellwechsel

In dem vorliegenden Fall, erwarb der Käufer im Frühjahr 2015 einen Neuwagen VW Tiguan 2.0 TDI mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189, der mit besagter Abschalteinrichtung ausgestattet war. Der Kläger verlangte eine Ersatzlieferung, jedoch kam ein neues Modell des Fahrzeuges auf den Markt, welches das alte Modell ablöste und dazu geführt hat, dass der VW Tiguan 2.0 TDI nicht mehr hergestellt wird. Der Bundesgerichtshof musste nun also entscheiden, ob der Käufer einen Anspruch auf Ersatzlieferung des neuen Modells hat. 

Das OLG Bamberg hielt den vom Kläger geltend gemachten Anspruch für unbegründet, da es das mittlerweile allein noch hergestellte Nachfolgemodell "VW Tiguan der zweiten Generation" mit Rücksicht auf dessen abweichende Motorisierung und andere Maße nicht mehr als "gleichartige und gleichwertige Sache" angesehen hat. Eine Ersatzlieferung wäre dementsprechend für den Verkäufer gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich und somit nicht geschuldet.

Laut Bundesgerichtshof ist aber die Lieferung einer identischen Sache nicht erforderlich. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Vertragsparteien nach ihrem erkennbaren Willen und dem Vertragszweck die konkrete Leistung als austauschbar angesehen haben. Für die Beurteilung der Austauschbarkeit der Leistung ist ein mit einem Modellwechsel einhergehender, mehr oder weniger großer Änderungsumfang des neuen Fahrzeugmodells im Vergleich zum Vorgängermodell in der Regel nicht von Belang. Im Wesentlichen kommt es insoweit auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten an. Nur bei unverhältnismäßigen Kosten kann der Verkäufer unter den Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB eine Ersatzlieferung verweigern. Ein Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB kommt in diesem Fall also nicht in Frage.

Fazit zur BGH-Entscheidung

Käufer von Fahrzeugen, bei denen besagte Abschalteinrichtung installiert ist, können eine Ersatzlieferung nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB fordern, auch wenn das Fahrzeugmodell durch eine neue Generation ersetzt wurde und somit nicht mehr hergestellt wird.

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